Das FÖS-Modell als Alternative zur “Öckosteuer” der Bundesregierung: |
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Ökologische Steuerreform: Intelligente Steuerung des ökologischen Umbaus Das beste Instrument Von Anselm Görres und Ernst Ulrich von Weizsäcker Der Streit um Pro und Kontra einzelner umweltpolitischer Instrumente verbirgt oft die eigentliche Debatte: Nämlich über Ausmaß und Radikalität des erforderlichen ökologischen Wandels. Vor dem Instrumentenvergleich müssen wir uns verständigen, ob die stoffliche Struktur unseres Sozialprodukts im Prinzip bleiben kann, wie sie ist, und lediglich kleinerer Modifikationen bedarf – oder ob Nachhaltigkeit nur durch massiven Strukturwandel erreichbar ist.
Unter den bestehenden Rahmenbedingungen gilt leider: Die Mehrheit aller heutigen wirtschaftlichen Aktivitäten verletzt das Kriterium der Nachhaltigkeit; ökologische und ökonomische Rationalität stehen im Konflikt miteinander.
Unsere heutige Wirtschaftsweise läßt sich cbensowenig weltweit globalisieren wie in Zukunft länger fortsetzen; beides würdc an ökologische und ökonomische Schranken stoßen. Die den heutigen Wirtschaftsprozessen zugrundeliegenden
Stoffströme müssen verändert, die Rcssourceneffizienz massiv gesteigert werden. Eingriffe in den Stoffwechsel Den ”Stoffwechsel mit der Natur” (Karl Marx) hat die Wirtschaftstheorie in dcn
letzten 150 bis 200 Jahren bewußt ignoriert – und durfte darauf sogar stolz sein. Gegenüber den Physiokraten des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die alle Wertschöpfung aus der Agrarproduktion ableiten wollten, war es zunächst in der
Tat ein Fortschritt, von der stofflichen Komposition der auf den Märkten getauschten Waren und Dienstleistungen völlig abzusehen und sich nur noch mit makroökonomischen Aggregaten wie Konsum und Investitioncn, Import und Export zu
befassen. Mit dieser ”Rechnung ohne die Natur” ist die Wirtschaftstheorie sehr weit gekommen. Auch in der Wirtschaftspolitik obsiegte die Gleichgültigkeit gegenüber e dem stofflichen Gehalt, wurde sogar zum Gütesiegel. Mit
wenigen Ausnahmen (Landwirtschaft, Kohle) galt es als Indiz aufgeschlossener Regulierung, wenn sich der Staat um die hinter den Sozialproduktgrößen stehcnden physischen Produktionsprozesse nicht kümmerte. Solange der Kuchen nur
wuchs, war sein konkrcter Inhalt von geringem Interesse. Heute stoßen wir jedoch an die Grenzen dieser Abstraktion vom Stofflichen. Was lange Tugend war, wird Untugend: Wir müssen uns wieder sehr genau dafür interessieren, was
sich hinter den Makrogrößen verbirgt. Branchen- und stoffbezogene Neutralität der Wirtschaftspolitik ist nicht länger ein liberales Gütesiegel, sondern nur noch Ausdruck ökologischer Ahnungslosigkeit und Indifferenz. Die
Beeinflußung der stofflichen Seite des Wirtschaftsprozesses wird plötzlich – vielleicht sogar erstmals – zu einer Hauptaufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik. Mit dem notwendigen Eingriff in den ”Stoffwechsel mit der Natur” sind
die Forderungen nach drastischer Effizienzrevolution und gewaltigem ökologischen Strukturwandel auf die Tagesordnung gesetzt. Alle umweltpolitischen Instrumente sind nun vorrangig daran zu messen, ob und wie wirksam sie zu
Effizienzrevolution und Strukturwandel beitragen können. Damit geht der Vorwurf an die ”Ökofiskalisten” – also die Befürworter einer Ökologisierung des Steuersystems – sie würden die Wirtschaft mutwillig einem riskanten
Strukturwandel ausliefern, ins Leere. Jede ernstgemeinte Umweltpolitik muß darauf abzielen, die heutigen Strukturen zu verändern, indem sie umweltfreundliche Prozcsse und Produkte fördert und umweltschädliche allmählich
zurückdrängt.
Ohne Ökosteuern keine ”Ökostrojika”
Wenn umweltpolitische Instrumente nicht nur nach der mikroökonomischen Lenkungswirkung, sondern vor allem nach der Eignung zum Einleiten eines makroökonomischen Strukturwandels (”Ökostroijka”) beurteilt werden, ergibt sich
automatisch eine andere Gewichtung der Instrumente. Statt der Ordnungspolitik (”command and control”) schiebt sich das Instrument Umweltsteuern in den Vordergrund. Die mikroökonomische Überlegenheit marktwirtschaftlicher
Umweltinstrumente (Umweltsteuern und Zertifikate) ist heute nicht nur in den Fachdiskussionen der Umweltökonomen, sondern auch in der Öffentlichkeit zum Gemeinplatz geworden. Die ”double dividend”, also der ökologische Zusatznutzen
von Umwe)tsteuern über ihren fiskalischen Ertrag hinaus, macht Umweltsteuern in einer Zeit besonders attraktiv, in der die negativen Effekte konventioneller Steu-ern unter dem Schlagwort ”excess burden” zum Kampf- begriff gegen den
Steuerstaat geworden sind (1). Das Konzept der Dynamisierung, wonach maßvolle, aber kontinuierlich ansteigende Steuersätze eine allmähliche Erneuerung des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks auslösen, die
Anpassungsschocks vermeidet, findet seit Jahren immer mehr Anklang (2). Heute wer- den längst nicht mehr nur die Anwendungsmöglichkeiten vereinzelter Umweltsteuern, sondern umfassende Reformkonzepte zur Ökologisierung des
Steuersystems mit kompensierender Senkung von konventionellen Steuern diskutiert. Dabei wächst auch die Zustimmung zu einer inputorientierten Gestaltung der Ökosteuern – also Bcsteuerung nicht erst der schädlichen Emissionen und
anderer Endprodukte des
Zielrichtung Faktor Vier Eine ökologische Steuerreform ist heute nicht nur aus dem Blickwinkel des Umweltschutzes vordringlich, sondern auch im Hinblick auf die Steigerung der Effizienz unserer Wirtschaft. Wenn eine derartige Revolution – beispielsweise eine Steigerung der Effizienz um das Vierfache (Faktor Vier) – technologisch möglich ist, dann haben wir aus Wettbewerbsgründen keine Zeit zu verlieren, dies auch zu tun. Länder wie Japan oder die USA investieren derzeit z.B. immense Summen in die großtechnische Produktion von Solarzellen. Wenn die alten Industrieländer zu lange an ihren Standards festhalten, drohen sie den Anschluß zu verlieren. Denn nur wer frühzeitig mit dem Strukturwandel beginnt, muß sich später neue Technologien nicht teuer erkaufen, sondern hat sie selbst entwickelt. In diesem Sinn weist eine ökologische Steuerreform in die richtige Richtung: Indem sie Subventionen auf Ressourcenverbrauch abbaut und diesen zudem besteuert, besteht für die Wirtschaft ein steigender Anreiz ihren Energieverbrauch zu minimieren – mindestens um den Faktor Vier (5).
Zwei makroökonomische Prüfsteine Aus der Fortentwicklung der Ökosteuer-Diskussion ergeben sich neue Fragen – insbesondere die nach der Machbarkeit ehrgeiziger nationaler Umweltpolitik in einer Welt internationalen
Wettbewerbs – aber auch neue Gesichtspunkte für eine bisher vorwiegend mikroökonomisch geführte Instrumentendiskussion. Denn umweltpolitische Instrumente, die über punktuelle Korrekturen hinaus eine makroökonomische Ökostroijka
befördern sollen, müssen vor allem zwei Makrobedingungen erfüllen:
- Massive Lenkungseffekte lassen sich nur mit, nicht gegen die Dynamik der Marktkräfte erzielen. Nur marktwirtschaftliche Instrumente können Preisrelationen und Anreizstrukturen flächendeckend so verändern, daß
die Allokationsdynamik eine neue Richtung nimmt. Die Spielregeln des Marktes müssen modifiziert werden, damit ökologische und ökonomische Rationalität nicht länger auseinanderklaffen. - Kosten und Belastungen
einer massiven Umsteuerung sind für nationale Ökonomie nur dann nicht existenzgefährdend, wenn die Möglichkeit zur Kompensation an anderer Stelle besteht. Die Gesamtbelastung durch staatliche Regulierung und Steuern darf nicht
mehr steigen, sondern muß sinken.
Das bei konventioneller Umweltpolitik dominierende Ordnungsrecht verletzt beide Bedingungen. Mit Geboten und Verboten läßt sich die Wucht der “ökonomischen Schwerkraft”, also der unter Eigennutz von Millionen von Akteuren
ablaufenden Allokationsdynamik, nur punktuell modifizieren. nicht aber grundsätzlich umsteuern. Das entscheidende Manko der Ordnungspolitik: Sie ändert nichts an der Struktur der relativen Preise und muß damit ihre Akzente gegen
die bestehenden Anreizwirkungen der Preise durchsetzen. Damit kann sie ökologisch schädliche Prozesse und Verhaltensweisen nur lästig machen oder verbieten – nicht aber das ökologisch erwünschte Verhalten deutlich attraktiver
machen. Das Ordnungsrecht verletzt aber auch die zweite Makrobedingung. Wenn Umweltpolitik die nationale Wettbewerbsposition eines Landes gefährden kann, dann sicherlich dort, wo der Schwerpunkt der Regulierung beim
Ordnungsrecht liegt. Denn administrative Eingriffe führen über die bestehende normale Besteuerung hinaus zu einer ”unsichtbaren Zusatzsteuer” für die nationale Wirtschaft, der keinerlei Kompensation gegenübersteht. Der Umwelt geht
es zwar besser, der Wirtschaft aber schlechter. So läßt sich auf Dauer beiden nicht helfen (6). Eine ökologische Steuerreform erfüllte hingegen beide Bedingungen. Die Korrektur der relativen Preise lenkt den Allokationsprozeß
flächendeckend und mit der unauffälligen Eleganz der ”unsichtbaren Hand” in die richtige Richtung, ohne daß die Wirtschaftssubjekte sich an allen Ecken und Enden von Vorschriften und Geboten gegängelt fühlen müssen. Zugleich bleibt
durch aufkommensneutrale Kompensation – also die Senkung konventioneller Steuern und Abgaben – die Abgabenlast auf gleichem Niveau. Es kommt lediglich zu einer Substitution ”dummer Steuern” – also konventioneller Steuern mit
weithin beklagten negativen Effekten für Wachstum und Allokation – durch ”intelligente” Steuern”, die Fiskus und Umwelt gleichzeitig guttun.
Ökologische Steuerreform – aber wie? Der erwähnte Fortschritt der Ökosteuer-Diskussion hat bereits zu
einer Vielzahl an Modellvorschlägen geführt. Die vier wichtigsten Prinzipien des FÖS-Modells sind aber so allgemeiner Natur, daß entlang dieser Linien ein politischer Konvergenzprozeß (auch mit anderen Modellvorstellungen) möglich
scheint (siehe Kasten “Wichtigste Prinzipien”). - Prinzip Aufkommensneutralität: Die Notwendigkeit der Aufkommensneutralität wird heute von der Mehrzahl der Befürworter einer Ökosteuerreform geteilt. Dazu schlägt der FOS eine
gezielte Verwendung des Energiesteueraufkommens zur Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vor. Es mag zwar verlockend sein, aus dem großen Strom des zukünftig erhofften Energiesteueraufkommens die eine oder andere Mark
für lang gehegte ökologische ”Lieblingsprojekte” abzuzweigen. Für die meisten Ökofiskalisten ist hingegen klar: Jede Ökosteuer-Variante. bei der am Ende eine höhere Steuerbelastung herauskommt, wäre eine politische Totgeburt.
Kurzfristig ist allen politischen Modellen die Tendenz zur Entlastung des Faktors Arbeit gemein, womit die Chance bestünde, gleichzeitig etwas für Umwelt und Beschäftigung zu tun - Prinzip Primärenergiebesteuerung: Kern unseres Vorschlags ist eine möglichst ”quellennahe”
Besteuerung der Primärenergieträger mit kontinuierlichem Anstieg der Steuersätze. In der ersten Stufe sollten Energieträger auf fünf oder sechs Jahre real um fünf Prozent pro Jahr verteuert werden, und zwar unabhängig von
Verwendung und Wirtschaftssektor. Nur eine ”primärnahe” Gestaltung der ökologischen Steuerreform stellt das nötige Ausstrahlen auf alle Wirtschaftsbereiche sicher. Die Gleichbelastung aller Energieträger und -verwendungen bietet
die Chance zu einem breiten politischen Konsens. Als Kernelement der ökologischen Steuerreform ist sie ein sinnvoller Kompromiß zwischen einer nur am Treibhauseffekt (ja an nur einer von mehreren Treibhausgasen) orientierten
Kohlendioxid-Steuer auf der einen und einem umfassenden System von Pigousteuern (”Fleckerlteppich”) auf der an- deren Seite. Zudem verzichtet sie auf eine allzu vordergründige Begünstigung der Kernenergie, wie sie die Vorschläge
für eine Kombination aus Kohlendioxid und allgemeiner Energiesteuer kennzeichnet. Durch die hohe Korrelation des Energieeinsatzes mit einer Vielzahl von Umweltproblemen können mit Energiesteuern als ”pars pro toto” über wenige
besteuerte Stoffe Umweltverbesserungen erreicht werden. Mit der Besteuerung der Primärenergieträger ist sozusagen das Grundsatzprogramm, der Einstieg in eine ökologische Steuerreform gegeben. Aufbauend auf dieses Grundgerüst
sollten flankierend ökologisch kontraproduktive Regelungen des heutigen Steuersystems beseitigt, die Mineralölsteuer auf Treibstoffe stetig verteuert und mittelfristig exemplarische Ökosteuern aufbesondere Problemstoffe eingeführt
werden. - Prinzip Einfache Kompensationslösung: Die sozial ausgewogene und fiskalisch einfache Entlastung von Bürgern und Wirtschaft ist notwendig, um keine soziale Klasse zum Opfer der ökologischen Steuerreform zu
machen. Zugleich darf die fundamentale Einfachheit der Energiebesteuerrung nicht auf der Entlastungsseite durch komplizierte Regelungen und die Erfindung neuer Transferzahlungen wieder verspielt werden. Ziel der vom FÖS
vorgeschlagenen Beitragssenkung in der Arbeitslosenversicherung ist nicht die indirekte Subventionierung des Faktors Arbeit, sondern lediglich eine Finanzierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik durch die öffentliche Hand. Deren
Aufgaben wcrden heute – nach unserer Auffassung systemwidrig – übermegend aus Zwangsbeiträgen gespeist, deren Höhe zufäliig dem Energiesteueraufkommen von rund 40 - Prinzip Außenwirtschaftliche Absicherung:
Zur Vermeidung exzessiver Anpassungskosten und ungerechtfertigter Benachteiligungen energieintensiver Branchen präferiert der FÖS einen Grenzausgleich in Form einer Energieeinfuhrsteuer für eine begrenzte Anzahl
energieintensiver Importprodukte oder vergleichbare Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Branchen zumindest im Inland schützen würde, ohne eine Reform in Frage zu stellen. Kein Steuermodell kann auf eine
Absicherung der außen- wirtschaftlichen Flanke verzichten, ohne den politischen Widerstand enorm zu erhöhen und die Chancen für eine Akzeptanz der Reform bei Wirtschaft und Management von vornherein gegen Null zu bringen.
Zertifikate: Keine echte Alternative Auch diejenigen, die dem
Modell der ökologischen Steuerreform noch skeptisch gegenüberstehen, sollten die Frage nach ihren Alternativen beantworten. Zur Einleitung eines wirklichen Strukturwandels dürften letztlich nicht allzuviele Wege in Betracht kommen.
Doch während die Konkretisierung von Ökosteuern in den letzten Jahren markante Fortschritte gemacht hat, bleiben bei der Zertifikatslösung noch wichtige Fragen offen – insbesondere die nach Erfüllung der beiden vorher genannten
Makrobedingungen (7). Unzweifelhaft erfüllen Zertifikate die erste Makrobedingung, nämlich den Einsatz der Marktdynamik und die Veränderung der relativen Preise. Letztlich müssen Ökosteuern und Zertifikatslösung zu gleichen
Preisänderungen führen, wenn sie an den gleichen Emissionen und Verbräuchen ansetzen und gleiche Umlenkungseffekte erreichen sollen. Damit ergeben sich auch die gleichen Belastungen für die Wirtschaft. Wie steht es aber mit der
Erfüllung der zweiten Makrobedingung durch ein Zertifikatemodell? Hier steht die Frage im Zentrum, wem das Eigentumsrecht an den Zertifikaten zustehen soll. Denn grundsätzlich sind zwei Varianten denkbar: - In einer ersten
Variante bleibt das Eigentumsrecht an den Zertifikaten bei den jeweiligen Verschmutzern, die sie aber weiterverkaufen können. Der Staatseingriff beschränkt sich darauf, allmählich die je Zertifi- kat zulässigen Emissions- oder
Verbrauchsmengen zu reduzieren (8). - In der zweiten Variante liegt das Eigentumsrecht beim Staat. Die bisherigen Emittenten erhalten allen- falls Vorkaufsrechte bei einer jährlich stattfindenden Versteigerung von Zertifikaten,
deren Menge der Staat Jahr für Jahr reduzieren würde. Die Verkaufserlöse fließen (wie Ökosteuern) dem Fiskus zu. An der zweiten Makrobedingung (also der Chance zum ”Lastenausgleich”) untcrschcidcn sich beide Varianten jedoch
beträchtlich. Variante 1 führt hier zu den gleichen unangenehmen Konsequenzen wie das Ordnungsrecht, nämlich einer Mehrbelastung der Wirtschaft ohne parallel laufende Kompensation. Räumt der Staat den bisherigen Verschmutzern
den Handel mit ihren Verschmutzungsrechten ein, so ist das gleichbedeutend mit einer Lizenz zum Erheben von Steuern auf knappe Ressourcen durch Private. In dieser Zeitifikatsvariante käme es zu einem plötzlichen Geldfluß von allen
anderen Wirtschaftssubjekten an die Zertifikatsbesitzer. Dieser Einwand gilt nicht, wenn die Zertifikate vom Staat verkauft werden (Variante 2). Denn damit entstehen Staatscinnahmen, dic der Staat an Wirtschaft und Bürger wieder
zurück- flie0en lassen kann. Eine Zertifikatslösung kann also genau wie eine ökologische Steuerreform die ”double dividend” entstehen lassen, indem konventionelle Steuern durch Staatseinnahmen aus ökologischer Lenkung ersetzt
werden und somit bei unveränderter Gesamtbelastung der Wirtschaft die ökologische Verbesserung sozusagen kostenlos erreicht werden. In der Praxis ist jedoch der vermeintliche ökologische Vorteil der Zertifikate –
die genauere Mengenbestimmung kritischer Stoffe – ihr größter wirtschaftspolitischer Nachteil. Denn Mengensicherheit für die Umweltpolitiker bedeutet Preisunsicherheit für Unternehmen und Haushalte. Bei einer langfristig angelegten
Umweltsteuer kann ich dagegen jeder die Belastungen ausrechnen. die auf ihn zukommen, und insbesondere Investitionen entprechend besser planen. Erste Erfahrungen zeigen sogar, daß die Zertifikatmenge in den Startjah
Wichtigste Prinzipien (FÖS-Modell) einer ökologischen Steuerreform 1. Aufkommensneutra Keine Erhöhung der Steuer- und Abgabenquote Rückgabe des Energieaufkommens an Bürger und Wirtschaft durch Senkung anderer Steuern/Abgaben Der Fiskus darf nicht zum Profiteur der Ökologischen Steuerreform werden 2. Gleiche Energiesteuerbelastung für alle Energieträger und -verwendugen
Keine Steuerdifferenzierung unterschiedlicher Energieträger Gleiche Steuerlast für gewerblichen wie privaten Energieeinsatz Keine Steuerbefre Es darf keine unterschiedlichen ”ökologischen Wahrheiten” für einzelne Sektoren der Volkswirtschaft geben
3. Sozial ausgewogene und fiskalisch einfache Entlastung von Bürgern und Wirtschaft Keine neuen Transferleistungen (“Ökobonus”) Systemkonforme Senkung der Sozialversicherungsbeiträge unter Beibehaltung der Beitragsgleichheit vor Arbeitnehmern und Arbeitgebern (50:50)
Langfristige Kompensation eher über Mehrwertsteuersenkungen Eine Ökologische Steuerreform muß Teil einer Steuerverein
fachung sein, statt neue Komplikationen zu schaffen
4. Kreativer außenwirtschaftlicher Flankenschutz für die Dauer des nation Kein Verzicht auf vorteilhafte Reform durch Warten auf den “Geleitzug” EU Keine ”GeburtsfehIer” durch umfangreiche und komplizierte Ausnahmebestimmungen oder Subventionen
Einfuhrschutz auf wenige besonders betroffene Branchen und Produkte konzentrieren Sicherung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit ohne Festhalten an überalterten Steuerstrukturen
Anmerkungen
(1) Vgl. A. Görres: Der Zusatznutzen einer Umweltsteuer. Zeitschrift für Umweltpolitik, Heft 1/1985, S. 45-68
(2) E. U. v. Weizsäcker: Erdpolitik. Ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt. Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, 4. Auflage, Darmstadt 1994 (3) Gutachten im Auftrag von Greenpeace e.V., Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung:
Ökosteuer – Sackgasse oder Königsweg? Wirtschaftliche Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform. Berlin 1994 (4) H. Ehringhaus,
A. Görres, E. U. v. Weizsäcker: Der Weg zur ökologischen Steuerreform. Das Memorandum des Fördervereins ökologische Steuerreform.
Olzog-Verlag, München 1994 (5) E.U.v. Weizsäcker, A. Lovins, H. Lovins: Faktor Vier. Doppelter Wohlstand, halbierter Naturverbrauch.
Droemer Knaur, München 1995 (6) Vgl. A. Görres: Innovationsschübe durch Ökosteuern. Plädoyer für eine Vorreiterrolle im internationalen
Wettbewerb. Süddeutsche Zeitung vom 23. März 1995(7) Solange dies so bleibt, werden sich die Befürworter der Zertifikate dem Vorwurf stellen müssen, daß es ihnen weniger um die Realisierung ihrer
eigenen Vorschläge als vielmehr um die Verhinderung einer ökologischen Steuerreform zu tun ist. (8) Diese quantitative Reduktion muß keine Wertminderung des gesamten Zertifikateumlaufs bedeuten, da die
Marktpreise je Emissions- oder Verbrauchseinheit ja gleichzeitig steigen können. (9) Vgl. Saubere Geschäfte mit Abgasen: US-Firmen können mit Schadstoffemissionen handeln. Süddeutsche Zeitung vom 24. Mai 1995
Aus: Politische Ökologie, Heft 42
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